Wildwasser in Österreich
(Drau und Isel)
Tagebuch vom 31.07. bis 08.08.2004
Dieter Jentgens
Nach 800 km und 12 Stunden Fahrt erreichten wir unsere Basis, einen Campingplatz
bei Lienz. Mit von der Partie, die erfahrenen Paddler: Fritz, Gerd, Christian
und mit 14 Jahren unser "Youngster", Kevin. Die beiden Neulinge: Felix und ich.
Die Boote: "Topo-Duo" bis "Spielboote". Für mich ein "TE-Canyon".
1. Tag: |
Drau, Thal bis Lienz (Fahrtstrecke 12 km plus 1 km mit zwei zu umtragenden Wehren / WW III+ (IV) |
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Noch verhältnismäßig locker gehe ich an den Start. Strahlend blauer
Himmel, aber kaltes Wasser. Beim Einstieg schon der erste Test;
Verblockung! Ein scharfes "S" muß gefahren werden. Durchatmen, ge-
schafft! Weiter geht's mit Steinen und erster Kenterung; ohne
Paddelrolle - mangels Können - schwimmen. Ich schlage immer wieder gegen
Felsen und Steine, mit Glück rutsche ich auch darüber. Endlich wieder im
Boot. Weitere Tauchgänge folgen. Neun sollen es werden bis zum Ausstieg.
Am Ziel: Erste Blessuren und Frust! Der schöne Sommerabend wirkt
versöhnlich. |
2. Tag: |
Drau, Kraftwerkzufluß bei Amlach bis Zusammenfluß Isel/Drau (5 km plus 1 km - Dolomitenmannstrecke / WW III) |
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Beim Frühstück: Besprechung des Vortages und Planung der nächsten Tour.
Alle sind sich einig, dass für die beiden Einsteiger, Felix und ich, der
gestrige "Ausflug" eine Nummer zu groß war. Neuer Start, neues Glück? -
Und wieder Steine, Wellen und Felsen. Slalomfahren ist angesagt. Es
scheint, dass der Bach voller Magnete ist; denn Steine und Felsen ziehen
mich magisch an. Folge: Kenterung, schwimmen und Boot entleeren durch
helfende Hände! Wieder Einstieg und wieder quer zum Felsen. Erneut
schwimmen und lange Zeit kein Kehrwasser. Ich bin ein Spielball der
Steine, Felsen und Wellen. Endlich das rettende Ufer! Fritz und Gerd
haben
Boot und Paddel gesichert. Erneut in's Boot und nochmals zwei
Kenterungen. Das letzte Drittel: Immerhin 2 km ohne Wassergang. - Felix
geht "baden". Fritz wird bei dessen Bootsrettung Opfer eines
Brückenpfeilers; kommt nicht frei. Gerd, Christian und Kevin in
Rettungsaktion. Folge: Vier Boote treiben ohne deren Besitzer die Drau
abwärts. Alle werden, wenn auch mühselig, wieder eingefangen. Ich kann
zwei Paddel retten. Abschluß: Ein versöhnliches Mittagesen unseres
"Meisterkoch's" Fritz.
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3. Tag: |
Planung der nächsten Tour und Manöverkritik |
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Es scheint, als hätte ich alles, was ich in den letzten Monaten und
insbesondere in Hohenlimburg (Wildwasserkanal in NRW) gerlernt habe,
ver- gessen. Für Felix und mich heute Vormittag Pause. Unsere vier
Könner möchten nochmals die Ersttagesetappe fahren. Nachmittags dann für
alle die Dolomitenmannstrecke (Drau). Ich mit Gerd im "Zweier". Endlich
Lustfahrt! Ich genieße als Vordermann Sonne und Wellen, Gerd souveräner
Pilot, zeigt mir die Ideallinie; wir surfen. Wie schön kann Kajakfahren
doch sein!
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4. Tag: |
Morgens wieder auf der Dolomitenmannstrecke mit mehr Wasser |
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Was werde ich machen? Adrenalinschub! Felix kentert beim Einstieg; ich
komme gut weg. Vor mir Gerd. Etwa 1 km alles gut, dann Stecker. Das Boot
wird mit solcher Wucht gegen einen Felsen gedrückt, dass sich der Boden
nach innen wölbt. Ich fürchte, eingeklemmt zu werden! Schwierige Rettung
durch Fritz und Christian. Das Boot kippt über. Eine beherzte
Paddelstütze bewahrt mich vor einem Sturz. Weiter mit eingedrücktem
Boden. Wir nähern uns meiner Angststelle, die Verblockung in Form eines
"S". Ich bleibe hängen, kann aber rückwärts vorbeirutschen.
Schaffe es
aber nicht, das Boot vor dem nächsten Hindernis in Flussrichtung zu
bringen. Wieder Schwimmen und wieder mühselige Rettung. Tiefer Frust,
den Tränen nahe! Fritz baut mich auf. Die letzten Kilometer ohne
Probleme. Endlich ein Lernerfolg? Heute zwei Kenterungen und ein
Stecker. Nachmittags unsere Asse auf der Isel, von Huben bis Ainet (WW
II-IV). Start gleich wuchtig. Einer geht "baden" (ohne Namensnennung).
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5. Tag: |
Isel, Ainet - Lienz (WW II + (8 Km). Besonderheit: Die Dolomitenwelle
bei der Mündung Isel/Drau (WW IV) |
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Eine Wanderfahrt mit Einlagen, wie ich später vermerke. Felix kentert in
einer Stufe. Ich kann nicht mehr ausweichen; so gehe auch ich "baden".
Merke: Die Isel ist kälter als die Drau. Weiterfahrt problemlos. Dann
der Katarakt. Gerd und Fritz fahren ihn rückwärts, um fotografisch
festzuhalten, ob ich mit oder ohne "Bad" durchkomme. Ich paddle wie
wild. Die Welle wird immer größer, scheint mich verschlingen zu wollen.
Geschafft! Daumen fliegen nach oben. Also, geht doch! -
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6. Tag: |
Und wieder die Dolomitenmannstrecke |
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Wie immer, morgens viel Wasser. Geht lange gut. Erste Prüfung:
Steinabgang kann ich mit einer Stütze vermeiden. Dann die "S"-Blockade.
Fahre sie gut an, aber Kevin vor mir versperrt mir die Durchfahrt.
Rückwärts vorbei, Kenterung und langes Schwimmen. Fritz, Gerd und
Christian erneut in Rettungsaktion. Weiter und kurze Pause im
Kehrwasser. Letzte Tips von Gerd vor der
"Gabiwelle"; Spielstelle der
Freaks. Bin zu langsam. Die Welle hält mich fest, zieht mich zurück. Das
Boot steigt, geht immer mehr in die Senkrechte. "Was für eine Kerze",
wie es später voller Bewunderung heißen wird. Leider unfreiwillig! Werde
aus der Welle herauskatapultiert, dann Drehung und "Baden". - Ende der
Fahrt, mit nur zwei Kenterungen.
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7. Tag: |
Und letzter Tag: Zum Abschluß nochmals die Dolomitenmannstrecke |
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Einstieg wieder am Kraftwerk (Satte WW III). Ich will nicht mehr
schwimmen. Volle Konzentration, Adrenalinschübe! Christian und Kevin
nehmen sich Felix an, ich zwischen Gerd und Fritz. Startphase mit
starkem Wellengang. Passiere Steine und Felsen. Suche die Ideallinie.
Dann die "S"-Passage; links einschwenken, rechts heraus und slalomartig
durch! Ich paddle wie wild, lasse Gerd hinter mir. Endlich das erste
Kehrwasser und hinein. Gerd kommt, strahlt über das ganze Gesicht.
Nochmals Tips von ihm und dann kraftvoll aus dem Kehrwasser. Mit Schwung
über die "Gabiwelle" und Kehrwasser. Erste Glückwünsche. Hoffentlich
nicht zu früh! Noch gut 2 km. Weiter mit Gerd als Begleiter und nochmals
volle Konzentration; links, rechts, links, rechts. In Gedanken höre ich
Fritz schreien: "Paddle, du sollst paddeln"! Das letzte Hindernis, der
Brückenpfeiler, rast auf mich zu oder ich auf ihn. Links vorbei und
Kehrwasser. T iefes Durchatmen mit Puls am Limit. Jetzt ruhig werden. Das
letzte Stück, nur noch "WW I", fahre ich voraus; ich will alleine sein!
Nichts mehr riskierend weiche ich jeder Welle aus. Am Ziel will mich ein
Stein nochmals prüfen. Fahre d'rüber und bin am Ausstieg. Applaus und
Glückwünsche von der Mannschaft. Heute blieb ich Sieger!
Nachwort: In dieser Woche habe ich viel gelernt. Die Paddelrolle ist ein
Muß, das zeigt mir auch mein geschundener Körper. Teamgeist ist durch
nichts zu ersetzen. Danke an alle, die dabei waren.
PS: Vor gut einem halben Jahr habe ich, 64-jährig, mit dem Paddeln
angefangen.
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© KCD-Siegburg, DieterJentgens
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